in humanistisches Begabtenförderwerk stellt eine einmalige Chance dar, einem wesentlichen, bisher in der Stipendienvergabe nicht hinreichend repräsentierten Teil der Gesellschaft eine Stimme zu geben. Doch wie eine solche Organisation in der Praxis aussehen und sich aus dem bestehenden humanistischen Spektrum heraus entwickeln könnte ist nicht unbedingt offensichtlich.  Im Folgenden möchten wir deshalb versuchen, unsere Vision eines 14. Förderwerks und seiner Entstehung in eine konkretere Form zu gießen.  

Die Gründung

Ein neues Förderwerk kann selbstverständlich nicht einfach von heute auf morgen begründet werden und seine Arbeit aufnehmen. Es erfordert organisatorische Kompetenz, strategischen Weitblick und eine enge Vertrautheit mit der universitären Landschaft und studentischer Lebensrealität an deutschen Universitäten, um ein solches Projekt über mehrere Jahre hinweg zum Erfolg zu führen, bis schließlich der erste Jahrgang von Stipendiaten begrüßt werden kann.

Auf all diesen Ebenen verfügt der organisierte Humanismus über jahrzehntelange Erfahrungen, aus denen ein neu zu gründendes Förderwerk schöpfen kann: So bewies der Humanistische Verband Deutschlands (HVD, 1) stets aufs Neue mit Bravour seine Fähigkeit zur Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung in Kooperation mit Politik und Verwaltung im großen Stil, sei es im Falle des Lebenskunde-Unterrichts, welcher von mehr als 65 000 Schülern in Berlin und Brandenburg besucht wird, oder der Führung von mehr als 30 Kindertagesstätten und einer noch größeren Zahl anderer sozialer Einrichtungen in ganz Deutschland in denen insgesamt mehr als 1500 hauptamtliche Mitarbeiter beschäftigt sind. Das Institut für Weltanschauungsrecht (2) kann den Gründungsprozess zudem durch hochkarätige juristische Expertise begleiten. 

Die Wissenschaftliche Expertise und der Kontakt an die Universitäten wiederum ist durch die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs, 3) gewährleistet: Diese verfügt über renommierte Beiräte und etwa 300 Professoren im Förderkreis, die z.T. als Vertrauensdozenten wirken und ideelle Förderangebote für Stipendiaten mitgestalten können. Die humanistischen Akademien (4) als Studien- und Bildunswerk des HVD besitzen als Herausgeber von akademischen Fachzeitschriften und Monographien und enger Kooperationspartner der Friedrich Ebert Stiftung zudem ebenfalls herausragende Kompetenzen im Feld der Wissenschaftlichen Humanistik. Zahlreiche Hochschulgruppen im Umfeld der gbs und die Landesverbände der Jungen Humanisten des HVD sorgen dabei ebenso für eine enge Rückbindung an die studentische Lebenswelt potentieller Stipendiaten wie die wertvolle Arbeit der Jugendweiheverbände (5). Koordiniert werden kann all dies durch den KORSO (6), der dem Projekt einer humanistischen Begabtenförderung wohlwollend gegenübersteht. 

Ein Leitbild

Ein humanistisches Begabtenförderungswerk fühlt sich selbstverständlich den Werten des Humanismus und von Wissenschaftlichkeit und Rationalität verpflichtet. Gleichsam geht diese Weltsicht mit epistemischer Bescheidenheit über die Sicherheit der eigenen Erkenntnis einher – nur im fairen, rationalen und kritischem Austausch sind wir in der Lage von anderen zu lernen, uns von lieb gewonnenen Hypothesen zu verabschieden und gemeinsam unser Verständnis der Welt zu verbessern. Aus dieser Einstellung heraus bekennt sich ein humanistisches Begabtenförderwerk zu Diskurs, Dialog und Debatte im Sinne des besseren Arguments als seinem zentralen Leitmotiv. Im besonderen sind hierbei drei Dimensionen hervorzuheben:

Der Politische Dialog: Der gemeinsame Rahmen der politischen Debatte in unserer Demokratie ist in den letzten Jahren zunehmend auseinandergebrochen. Über gewisse Grenzen hinweg ist in Zeiten von Misstrauen gegenüber den Medien und Fakenews ein sachorientierter Dialog kaum mehr möglich. Im Bekenntnis zur offenen Gesellschaft fördert ein humanistisches Studienwerk deshalb den freien Diskurs unabhängig von politischem Lagerdenken. Als zukunftsorientierter Organisation liegt ihm dabei insbesondere die Diskussion über die Gestaltung der Gesellschaft im Angesicht technologischer und sozialer Umbrüche am Herzen, welche faktenbasiert und ausgewogen geführt werden muss. Als politisch diverse Gruppe, die gleichsam kein Dogma und keine Ideologie dem menschlichen Wohlergehen oder den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen überordnet, ist die humanistische Studierendenschaft aufgefordert, Brücken zwischen den Lagern zu bauen.  

Der Wissenschaftliche Dialog: Der britische Physiker C. P. Snow attestierte 1959 (7) die Existenz zweier Kulturen im Wissenschaftsbetrieb: Die geisteswissenschaftlich-literarische einerseits und die naturwissenschaftlich-technische andererseits, welche zunehmend außerstande seien, miteinander zu kommunizieren. Im Angesicht der stetig wachsenden Bedeutung naturwissenschaftlicher Einsichten für unser Verständnis der Gesellschaft und des Menschen ist der Austausch zwischen Naturwissenschaftlern, Sozialwissenschaftlern und Geisteswissenschaftlern im Zeitalter von Genome-Editing, Künstlicher Intelligenz und Big Data wichtiger denn je. Die Humanistische Tradition, die sich seit je her im Spannungsfeld zwischen geisteswissenschaftlich-literarischem Bildungsideal und den Erkenntnissen der Evolutions- und Soziobiologie über die Wahrnehmungsforschung bis zu den Neurowissenschaften bewegt, ist hierfür prädestiniert. 

Der Weltanschauliche Dialog: Auch möchte ein humanistisches Begabtenförderwerk seine Stipendiaten zum offenen und produktiven Dialog mit anderen weltanschaulichen Gruppen anregen: Religionskritik, Spiritualität, Mystik, Tradition, Ritual und Sinngebung – Die Felder in denen ein fruchtbarer Austausch mit religiösen Menschen denkbar ist, sind zahlreich.  Zu diesem Zweck sind enge Kooperationen mit den religiös orientierten Förderwerken und zivilgesellschaftlichen Akteuren wünschenswert. 

Förderung

Die Welt ist komplex und voller Widersprüche. Um so mehr braucht es deshalb Forscher, Intellektuelle und Führungspersönlichkeiten, die auf Basis eines zeitgemäßen Wertefundaments agieren. Im Sinne der im Leitbild genannten Werte fördert ein Humanistisches Studienwerk deshalb außerordentlich begabte Individuen, welche in der Lage sind, selbstkritisch und rational ihre eigenen Positionen und die anderer zu hinterfragen und mittelfristig Verantwortung zu übernehmen, um die Gesellschaft durch Wissen, Leistung und Talent zum Besseren zu verändern. Neugierde, Unternehmergeist, (natur- und geisteswissenschaftliche) Allgemeinbildung und ein wissenschaftliches Mindset sind dabei von zentraler Bedeutung und sollen durch das Stipendium herausgebildet und gestärkt werden.

Dies spiegelt sich auch in der ideellen Förderung wider: Neben häufig kooperativen Veranstaltungen, welche sich dem politischen, dem wissenschaftlichen und dem weltanschaulichen Dialog im Sinne der Dimensionen des Leitbilds widmen, steht insbesondere die Persönlichkeitsbildung der Stipendiaten durch Kompetenzentwicklung in kritischem Denken, Rationalität, Softskills, Leadership, wissenschaftlichem Arbeiten und Ähnlichem im Mittelpunkt der Förderung. Um die Eigenverantwortung der Studierenden zu stärken, ist ihnen dabei ein großes Maß an Freiheit bei der weiteren Ausgestaltung der ideellen Förderung geboten: Stipendiatische Arbeitskreise sind ebenso denkbar wie die Organisation einer Sommerakademie zu einem frei gewählten Themenkomplex.